Alles für den Kanal
Welchen Wahnsinn ich am Vortag organisiert hatte, sollte ich bald, merken. Ich traf mich mit Tanya meiner Guide an der U-Bahnstation beim Dnjepr – also beim großen Bach. Ich bekam gummistiefelähnliche Überzieher für meine Schuhe und Hose. Danach stiegen wir über eine Mauer zu einem Kanaldeckel… auf und runter… es ging in das Entwässerungssystem. Die ganzen Hügel von Kiew sind mit Tunneln und Kanälen durchzogen, die der Entwässerung dienen. Manche sind bequem begehbar, manche entsprechen eher dem Klo von Smeagol wobei „Mein Schatz“ wurde nicht gefunden. Ich musste also meinen Fotorucksack – ich hatte ja Stativ und Porty mit, weil ich eigentlich dachte, dass die Underground Tour zur ehemaligen U-Bahn Baustelle führt – vor mir in der Hand tragen – soll heißen – im Knieentenwatschelgang die Tasche haltend durch den 120 hohen Tunnel watscheln… es war… saukalt aber trotzdem schoss mir der Schweiß aus allen Poren. Wenigstens war es kein Abwasserkanal.
Die Wände waren oft von Schlicker und dann wieder irgendwelchen Salzausblühungen bedeckt – kurz um – ich sah nach fünf Minuten aus wie Sau und angepatzt hatte ich mich auch. Wir kamen zu einem größeren Tunnel und ich konnte endlich wieder aufrecht gehen. Dann noch eine Wassersammelzisterne – in der es schüttete wie im Monsun. Ein optimaler Ort für jede Fotoausrüstung. Danke bitte RAUS! Es stellte sich heraus, dass im Sommer nur ein kleiner Teil begehbar ist, weil sie Angst vor Gewittern haben. Das Wasser würde unten innerhalb von 5 Minuten zur tödlichen Falle werden. Alter – die Großwetterlage über der Ukraine ist – STRAHLEND stabil. Da kommt für Tage kein Regen. Also – nächstes Mal muss man die Tour im Winter buchen, dann geht es in die großen Tunnels. Die U-Bahn Station kann man schwer besichtigen, weil man durch einen befahrenen Tunnel bis zu einer Abzweigung rennen muss – nein das Zug Erlebnis von Dunkeldeutschland hat mir erst einmal gereicht.
Der Rückweg wurde noch einmal spannend… Rucksack runter, vor mir herschieben und hinterherrobben – Gott sei Dank – ja auch ich darf das sagen – war die Stelle nur 10 Meter lang. Wieder am Tageslicht! Tanya wollte mir noch einen anderen – ähnlichen Tunnel zeigen – ich lehnte Dankend ab und meinte – Rooftop bitte. Für die nächste Tour Geld zu verlangen ist schon leicht frech. Ich hatte aber eh die Kombination gebucht. Wir fuhren mit einem Taxi in die Stadt, zu einer stillgelegten Hochhausbaustelle. Dort ging es Etage für Etage über eine Stiege im Außenbereich 12 Stockwerke hoch. Geländer? Baustellen brauchen keine Geländer. In einigen Etagen waren nette Graffitis – in anderen nur Glasscherben. Oben angelangt, bot sich mir eine akzeptable Aussicht. Wenn man bedenkt, dass ich von dort nach oben auf mein Apartment und den Dachgarten vom Royal Tower schaute – dann war sie nicht akzeptabel. Also die Rooftoptour kann man sich sparen oder einfach selbst in so ein Haus latschen.
Ich hatte erst einmal die Schnauze voll und war dreckig wie – eh schon wissen. Noch mal Geld wechseln und ab ins Apartment – duschen… dann ein paar Bilder nachbearbeiten und mein Zeug für den Abend packen. Gegen 1900 ließ ich mich von einem Taxi zum Freundschaftsbogen bringen. Ich hatte der Porteuse bei uns erklärt, wo ich hin wolle – sie gab mir die Adresse, die mir eigentlich falsch vor kam – Lavraska Street – dort ist doch das Höhlenkloster – und die Mutter Nation Statue – dort brachte der Taxler mich auch hin – selber auf der Karte gesucht und die Koordinaten geändert. 10 Minuten später war ich am Ziel. Ich machte HDRs und Langzeitbelichtungen vom Dnjepr und dem Bogen – war Cool. Um 0800 dachte ich mich haut es um. Ein riesen Knall und sogar die Druckwelle war spürbar. Am anderen Ufer des Baches gaben sie Salutschüsse für den Nationalfeiertag ab. Sie hatten ja auch schon am Majdan ein Gerüst mit ukrainischen Fahnen aufgestellt. Ein Knall jagte den nächsten. Ich hielt mir die Ohren zu – man sah ja einige Sekunden vor dem Knall den Blitz der Explosion. Zuerst dachte ich wirklich Der Putin hat wegen des Klopapiers Kiew den Krieg erklärt. Nach ein paar Minuten war der Spuk vorbei.
Langsam ging ich zurück zum Majdan und machte noch ein paar Langzeitbelichtungen. Die Lichter sahen cool aus. Mitten auf dem Kreshatyk stellte ich mein Stativ auf die Straße und wunderte mich, dass alle Leute in der Fußgängerzone auf dem Gehsteig waren und die gesperrte Straße nichtnutzten. Ich sollte es bald merken, als die Militärparade auf mich zu kam… OK also runter von der Straße und ab in die Buddha bar. Auf ein Gin Tonic. Es sollte doch wieder recht spät werden. Aus der Buddha Bar geht man halt nicht um Mitternacht nach Hause – da kommen freitags und samstags der Trommler und seine Gogo Tänzerinnen. Da steppt am Wochenende echt der Bär. Irgendwann war ich dann auch im Apartment und sagte… Gute Nacht Kiew…